Am Dienstag dieser Woche wurde die einzige große Eiche im Ort – am Inneregg, Forchwaldstrasse 40 – gefällt. Passanten, Nachbarn und selbst die anwesenden Arbeiter reagierten mit Unverständnis. Der mächtige Baum stand auf einem bislang unbebauten Grundstück innerhalb der unter besonderem Schutz stehenden Waldabstandsgrenze. Der Kanton Zug dazu: «Der Waldabstand im Kanton Zug ist mit 12 Metern im Vergleich zu anderen Kantonen klein. Der durchschnittliche minimale Waldabstand in der Schweiz beträgt rund 18 Meter.»
Trotz seines beachtlichen Umfangs stand der Baum dort unter keinem besonderen Schutz. Der Grund für seine Beseitigung: Der geplante Verkauf des Grundstücks zum höchstmöglichen Preis – bereits inklusive einer Baugenehmigung für ein Haus, das lediglich zwei Meter Abstand zum Baum gelassen hätte.
Geplant und genehmigt ist ein ‘Einfamilienhaus’ mit über 300 qm Wohnfläche. Für die Vermarktung des Grundstückes hat man in der Bauplanung die Fläche bis auf das Maximum ausgereizt. Dies ist ein besonderer Standort mit fantastischer Aussicht und umgeben von Natur. Anstatt hier auf einige Quadratmeter Wohnfläche zu verzichten und mit mehr Kreativität einen noch attraktiveren Entwurf zu finden, welcher sich in die Gegebenheiten einfügt, hat man auf die Maximallösung gesetzt. Dies natürlich wohl kaum, damit hier zukünftig eine etwas kinderreichere Familie leben könnten sondern wohl eher, um möglichst finanzstarke Steuersparer als Käufer zu gewinnen.
In anderen Ländern, Kantonen und Gemeinden wäre das Fällen dieses Baumes nicht zulässig gewesen. Oft stehen grosse Bäume unter besonderem Schutz und dürfen gar nicht oder nur in Einzelfällen nach genauer Einzelprüfung gefällt werden – nicht jedoch im Kanton Zug. Und Walchwil gleicht dies auf Gemeindegebiet auch nicht aus. Gibt es dafür keine Mehrheit? Die demnächst in Kraft tretende neue Bauordnung soll die Lage auch nicht verbessern. Vor 20 Jahren jedoch wäre der geplante Bau so nicht möglich gewesen. Die damals realisierten, umliegenden Gebäude mussten deutlich strengere Regel einhalten, die Aussicht freihalten und den Waldabstand strikt respektieren.
Heute jedoch wird nicht nur dieser Baum beseitigt, sondern auch der für Spaziergänger so attraktive Blick auf den See darf ihnen mit diesem Projekt – gemäss den seit 2006 gültigen Regeln – genommen werden. Das Kantonale Amt für Wald und Wild gewährt zudem grosszügige Ausnahmen beim Waldabstand.
Was bleibt von der majestätischen Eiche? Die plötzliche Leere hinterlässt gespenstische Stille, als wäre der Baum nie da gewesen. So wird es auch sein, wenn der ungehinderte Blick auf den See erst einmal verbaut ist: Es wird sich normal anfühlen, als wäre es immer schon so gewesen.
Stück für Stück verlieren wir so kampflos unersetzliche Werte. So etwas bringt in unserem System einfach keine Kosten für die Beteiligten mit sich – es steigert statt dessen den Gewinn. Ulf Kanne